Wien (OTS) – Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding,
widmet sich in
seiner neuen Herbstausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden? Über
Hautfarben und Vorurteile“, die von 22. Oktober 2025 bis 26. April
2026 im Museum Dorotheergasse zu sehen ist, dem Thema der jüdischen
Identität im Spannungsverhältnis zwischen Eigendefinitionen,
Antisemitismus und Rassismus. Welche Hautfarben haben Jüdinnen und
Juden – und welche werden ihnen zugeschrieben? Wie verorten sie sich
selbst? Die Ausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden?“ geht diesen
Fragen nach und zeigt historische und zeitgenössische Beispiele der
Fremd- und Selbstwahrnehmung.
Rassismus bedeutet, Menschen aufgrund von tatsächlichen oder
zugeschriebenen körperlichen Merkmalen zu bewerten und zu entwerten.
Dabei spielt die Hautfarbe als vermeintlich offensichtlichste
Unterscheidung zwischen Menschen eine besondere Rolle. Bis heute ist
sie eines der wirkmächtigsten Kriterien, um Zugehörigkeit zu
bestimmen und um Ausgrenzung zu rechtfertigen. Auch in der langen
Geschichte des Antisemitismus wurden Jüdinnen und Juden körperliche
Besonderheiten zugeschrieben. Doch welche Rolle spielt dabei die
Hautfarbe?
Die Ausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden? Über Hautfarben und
Vorurteile“ nimmt eine wenig beachtete Schnittstelle von Rassismus
und Antisemitismus in den Blick: Von den „Rassentheorien“ des 19.
Jahrhunderts über NS-Ideologien bis hin zu innerjüdischen Debatten
und (post)kolonialen Diskursen zeigt sie, wie Jüdinnen und Juden in
unterschiedlichen Zeiten und Kontexten verschiedene Hautfarben
zugeschrieben wurden und werden – und auch, wie sie sich selbst
wahrnahmen und bewerteten.
Dabei geht es nicht um eine Antwort auf die Frage „Welche
Hautfarbe haben Jüdinnen und Juden?“, denn jene lässt sich außerhalb
rassistischer Denkweisen gar nicht beantworten. Vielmehr erzählen
künstlerische Positionen und historische Objekte, dass Jüdinnen/Juden
als Gruppe, Minderheit oder „Rasse“ je nach Zeit, Ort und Perspektive
ganz unterschiedlich gesehen wurden: als Weiße oder Nicht-Weiße, als
Schwarze oder Nicht-Schwarze, als Diskriminierte oder als
Diskriminierende, als Kolonisierte oder Kolonisatoren.
Gerade diese Widersprüchlichkeit und Uneindeutigkeit macht nicht
nur deutlich, wie sehr „Rasse“ eine gesellschaftliche Konstruktion
ist, die allerdings bis heute das Leben von Menschen prägt. Sie zeigt
auch, dass die Beschäftigung mit jüdischer Identität zwischen
Selbstdefinition, Antisemitismus und Rassismus ein Weg ist, eigene
Vorurteile und stereotype Vorstellungen zu hinterfragen und das
rassistische Weltbild zu sprengen.
Zwtl.: Historische Linien und aktuelle Brüche
Die Ausstellung spannt einen weiten historischen Bogen,
allerdings ohne einer chronologischen Erzählung zu folgen. Die
einzelnen Kapitel untersuchen, in welchen Zusammenhängen Jüdinnen und
Juden bestimmte Hautfarben zugeschrieben wurden und werden:
„Rassentheorien“ des 19. Jahrhunderts, koloniale Diskurse, die
rassistische Ideologie des Nationalsozialismus, (Selbst)
Orientalisierung, Schwarze jüdische Communities in Afrika und den USA
und viele andere Themen werden in der Ausstellung unter dem
Gesichtspunkt wie eine bestimmte Hautfarbe „hergestellt“ wird
thematisiert. Dem gegenüber stehen (innerjüdische) Debatten über
Hautfarbe und Identität, reale Diskriminierung und Gewalt sowie
Solidaritätsallianzen, aber auch zerbrochene Solidaritäten.
Zwtl.: Gegenwartsbezug und Brisanz
Brisante Aktualität erhielt die Ausstellung durch den
Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den danach
folgenden Krieg in Gaza. War die Frage nach einer „White supremacy“
von Jüdinnen und Juden noch vor ein paar Jahren eine US-amerikanische
akademische Debatte, die langsam nach Europa sickerte, werden heute
Jüdinnen und Juden in öffentlichen Diskursen häufig als
„privilegierte Weiße Kolonisatoren“, bezeichnet. Diese Zuschreibungen
blenden jedoch historische Erfahrungen und gegenwärtige Realitäten
antisemitischer Diskriminierung aus. „Schwarze Juden, Weiße Juden?“
will dem etwas entgegensetzen und eröffnet einen differenzierten
Blick auf Hautfarbe, Identität und Zugehörigkeit.
Zwtl.: Stimmen, Objekte, Kunstwerke
Neben historischen Dokumenten, Fotografien und Objekten zeigt die
Ausstellung zeitgenössische Kunstwerke, die das Spannungsverhältnis
zwischen Fremddefinition und Selbstbild beschreiben und sich so
differenziert mit jüdischer Identität auseinandersetzen. Jason Bard
Yarmosky hinterfragt in „Portrait of a young man“ (2018)
gesellschaftliche Konventionen und die Vorstellung von Superhelden
als Weiße Figuren. Philip Guston (1913-1980) thematisiert in seinen
Werken zum Ku-Klux-Klan rassistische Gewalt, seine eigene Position
als Weißer Jude und die Nähe zu Macht. Ein Auftragswerk der syrisch-
jüdisch-amerikanischen Künstlerin Lenore Cohen sowie Arbeiten der in
Wien lebenden Sheri Avraham setzen sich ebenfalls mit stereotypen
Wahrnehmungen und Selbstbildern auseinander. Ein lnstagram-Video von
Ben Younger „I am a White Colonizer“ bringt die aktuelle Debatte
pointiert auf den Punkt. Interviews und künstlerische Arbeiten
eröffnen Einblicke in persönliche Erfahrungen von Jüdinnen und Juden
– und vor allem Jews of Color – weltweit, sie rütteln auf und machen
die Auswirkungen von Antisemitismus und Rassismus greifbar.
Zwtl.: Katalog und Rahmenprogramm
Begleitend erscheint ein umfangreicher Katalog im Wallstein
Verlag (320 Seiten, Ꞓ 32,90), herausgegeben von Tom Juncker, Daniela
Pscheiden und Hannes Sulzenbacher im Auftrag des Jüdischen Museums
Wien. Er vereint internationale Stimmen aus Wissenschaft, Kunst und
Aktivismus. Mit Beiträgen u. a. von Balazs Berkovits, Edith Bruder,
Judith Coffey/Vivien Laumann, Lewis R. Gordon, Cheryl Greenberg,
Tudor Parfitt, Derek Penslar, David Schraub, Felix Wiedemann/Kathrin
Wittler und Xun Zhou.
Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Begleitprogramm mit
künstlerischen Interventionen, Workshops, Filmvorführungen und
Lesungen flankiert.
– Kalligrafie-Workshop mit Lenore Cohen
In Kooperation mit den Volkshochschulen
22. Oktober 2025, 15:00 Uhr
– Performance von Sheri Avraham
In Kooperation mit der Vienna Art Week
13. November 2025, 18:00 Uhr
– Buchclub: „Gojnormativität“ von Judith Coffey und Vivien Laumann
4. Dezember 2025, 18:00 Uhr
– Filmscreening: „No Promised Land“ von Raphael Bondy
25. Januar 2026, 13:00 Uhr
Weitere Termine und Details finden Sie auf www.jmw.at .
Pressefotos:
Die Fotos zur Aussendung sind im Pressebereich der Wien Holding unter
www.wienholding.at/Presse/Presseaussendungen abrufbar. Honorarfreier
Abdruck im Zuge der Berichterstattung unter Nennung des Copyrights.